Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

Kurzfassung Mag. Dr. Anna Mayerthaler

In den letzten Jahrzehnten waren Verkehrsprobleme ein anhaltendes Thema, dessen Bedeutung sich im Kontext des Klimawandels durch die ständig steigenden CO2-Emissionen im Sektor Verkehr noch verstärkt hat. Der Sektor Verkehr ist nicht nur der Sektor mit den größten Steigerungsraten der letzten Jahre, sondern auch dem größten Anteil, an nationalen Treibhausgas Emissionen (Anderl, Freudenschuß et al. 2011). Nicht nur die Treibhausgas Emissionen steigen, sondern auch das Verkehrsverhalten entwickelt sich zunehmend in eine problematische Richtung. Laut dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie wird die Mehrheit der Fahrten in Österreich mit dem Auto zurückgelegt und der Anteil des motorisierten Individualverkehrs an den zurückgelegten Personenkilometern steigt seit 1990 (Bundesministerium für Verkehr Innovation und Technologie 2012). Bis heute gibt es nur einen Modellierungsansatz in Österreich, um die Entwicklungen im Sektor Personenverkehr zu prognostizieren; die Verkehrsprognose 2025+. Die Notwendigkeit, in diesem Sektor CO2-Emissionen zu reduzieren und das Verkehrsverhalten in Richtung Umweltverbund (zu Fuß, Fahrrad, öffentlicher Verkehr) zu ändern sowie die Tatsache, dass bis heute nur eine einzige österreichische Verkehrsprognose dazu existiert, stellen die Argumente für eine weitergehende Forschung in diesem Bereich dar. In dieser Dissertation wird ein Modellierungsansatz für ganz Österreich entwickelt. Ziel ist, das Verständnis für Entwicklungspfade im Sektor Personenverkehr zu verbessern. Die Arbeit ist von folgenden Forschungshypothesen geleitet: (1) Es besteht Interaktion zwischen dem Transportsystem, den räumlichen Strukturen von Siedlungen und der Wirtschaft. Diese bilden ein dynamisches selbst-organisierendes System. (2) Nicht-motorisierte Verkehrsmittel sind ein essentieller Teil des Gesamtverkehrssystems und werden stark durch Siedlungsstrukturen beeinflusst. Sie müssen auch auf räumlichen Aggregationsebenen berücksichtigt werden, wo ihr Einfluss nicht offensichtlich ist. Methodisch wird der Ansatz von integrierten Modellen zur Darstellung von Siedlungsentwicklung und Verkehr (LUTI) gewählt. Das strategische Transport- und Landnutzungsmodell MARS (Pfaffenbichler 2003), welches in mehreren urbanen Fallstudien erprobt wurde, ist ein solches LUTI Modell. In dieser Arbeit wurde es weiterentwickelt und angepasst, um Gesamtösterreich abbilden zu können und die Auswirkungen von Transport- und Landnutzungs-Politikmaßnahmen für die Prognosebildung zu modellieren. MARS ist ein systemdynamisches Modell. Der große Vorteil dieser Modelle liegt in der Möglichkeit, unterschiedliche Systemgeschwindigkeiten, die bei Interaktionen zwischen dem Verkehrs- und dem Landnutzungssystem vorliegen, zu modellieren. Die primären Forschungsfragen dieser Dissertation lauten: (1) Welche Gesamteffekte auf das Verkehrsverhalten und die Entwicklung der CO2 Emissionen ergeben sich durch unterschiedliche Transport- und Landnutzungsszenarien sowie verschiedener Entwicklungspfade der Elektromobilität? (2) Welche Politikmaßnahmenkombinationen ermöglichen es, die Klimaziele des -Kyoto Protokolls- und europäischer Ziele wie dem -Weißbuch Verkehr 2011- oder der -Roadmap 2050- zu erreichen? Ausgegangen wird von einem -Business as Usual- Szenario, welches die Entwicklung über die Zeit ohne nennenswerte Eingriffe beschreibt. Anschließend werden verschiedene Politikszenarien entworfen. Zusätzlich, um die einzelnen Politikmaßnahmen hervorzuheben, werden zwei Szenarien entwickelt, die keinen technologischen Fortschritt (keine Veränderung der Flotte hinsichtlich Elektromobilität) enthalten. Das Bündel an Maßnahmen der Verkehrspolitik reicht von Preispolitik bis zu Eingriffen in die gebaute Infrastruktur. Diese unterscheiden sich je Szenario nach Stärke und Auswahl der Maßnahme. Die Raumplanungspolitik unterscheidet sich im Ausmaß je Szenario, betrifft aber immer folgende Komponenten: - Anteil von neuen Entwicklungen innerhalb/außerhalb der Siedlungseinheit - Ausmaß des Landverbrauchs - Lebendigkeit von regionalen Zentren (in schrumpfenden und wachsenden Gemeinden) Die Flottenentwicklung, die sich vor allem durch unterschiedliche Durchdringungsgrade von Elektromobilität unterscheidet, wird ebenfalls in verschiedenen Szenarien abgebildet. Es zeigt sich, dass die Flottenentwicklung (abhängig von der Durchdringung von Elektrofahrzeugen) und der Energiemix (größerer oder kleinerer Anteil erneuerbarer Energieformen) entscheidende Faktoren für die Entwicklung der CO2 Emissionen sind. Bei der Betrachtung des Verkehrsverhaltens zeigt sich, dass alleinstehende Verkehrspolitikmaßnahmen einen größeren Einfluss als Raumplanungspolitikmaßnahmen haben. Diese Arbeit führt vor Augen, dass eine rein technologische Veränderung der Flotte, mit der Annahme eines schnellen Anwachsens von erneuerbaren Energieträgern, die CO2 Emissionen signifikant reduzieren kann. Jedoch ergibt sich dadurch kein Einfluss auf das Verkehrsverhalten und damit keine Änderung in der Aufteilung auf die verschiedenen Verkehrsmittel in Richtung weniger energieintensiver Verkehrsmittel. Aus gesellschaftlicher Perspektive kann das nicht das gewünschte Ergebnis sein. Die städtischen Agglomerationen in Österreich wachsen, bei dem gleichzeitigen Ziel die Lebensqualität in den Städten zu erhöhen. Dies scheint schwierig, wenn immer weniger öffentliche Fläche pro Person (auch Elektrofahrzeuge benötigen Platz) zur Verfügung steht. Deshalb sind Umgestaltungen der physischen Infrastruktur und die Zurverfügungstellung von mehr Flächen für umweltfreundliche Verkehrsmittel notwendig, um das Ziel erhöhter Lebensqualität in Städten zu erreichen. Elektrofahrzeuge stellen allerdings eine gute Alternative zur Erfüllung der täglichen Bedürfnisse in ländlichen Gebieten mit schlechten Bedingungen für den öffentlichen Verkehr dar. Die vorliegende Arbeit liefert einen Beitrag im Bereich der nationalen Verkehrs- und Landnutzungsmodellierung. Das entwickelte Modell ist fähig, verschiedene verkehrspolitische Maßnahmen, Raumplanungsmaßnahmen und verschiedene Entwicklungspfade der Elektromobilität im Sektor Personenverkehr zu modellieren. Die Forschungsarbeit liefert neue Erkenntnisse über die Effekte der verschiedenen Politikmaßnahmen auf die Entwicklung der CO2 Emissionen und des Verkehrsverhaltens.