Macoun
Bewertung und Bewertungsmethoden in komplexer Umwelt mit besonderer Berücksichtigung der Verkehrsplanung
Die Analyse von Ausbauentscheidungen im österreichischen Straßennetz und die Diskussion um diese Entscheidungen zeigt, daß viele dieser verkehrlichen Maßnahmen wissenschaftlich nicht ausreichend fundiert sind. Die Ursache liegt zum einen in erheblichen Mängeln der in Verträglichkeitsprüfungen angewendeten Methoden, sowie in Mängeln bei der Anwendung dieser Methoden. Zum anderen sind viele dieser, in ein komplexes System eingreifenden Maßnahmen, (partei-) politisch motivierte Entscheidungen auf Druck verschiedenster Interessengruppen.
Neben diesen Mängeln in den Grundlagen liegt ein weiterer Anlaß für die vorliegende Arbeit in der aktuellen Forderung der Europäischen Kommission in Bezug auf die Einführung einer Strategischen Umweltprüfung im Bereich des Verkehrs. Dabei sind die Vorgaben und Zielsetzungen des sogenannten Brundtland- Reportes bezüglich einer dreigeteilten (ökologisch, sozial und wirtschaftlichen) Nachhaltigkeit zu integrieren.
Die verwendeten Methoden zur Prüfung der (Umwelt-)verträglichkeit basieren auf allen Ebenen und in allen Teilschritten auf Bewertungsvorgängen, die einen enormen Spielraum bezüglich des Ergebnisses offen lassen. Be-Werten erfordert, den Planungen und Wirkungen einen Wert zuzuordnen. Wertvorstellungen, Zielsetzungen und Interessen spielen bei diesem Vorgang eine wichtige Rolle. Da Bewertungen nur durch den Menschen durchgeführt werden können, steht dieser im Zentrum der Arbeit. Die geschaffene bauliche Umwelt ist vom Menschen nach bestimmten Prinzipien, Theorien und Zielvorstellungen gestaltet worden. Diese Vorstellungen sind großteils in der Innenwelt des Menschen begründet. Gleichzeitig fehlt jedoch offensichtlich das individuelle und gesellschaftliche Bewußtsein für die Grenzen von Entwicklungen.
Die Verkehrsplanung ist zum interdisziplinären Forschungsgebiet geworden. Es sind daher auch die Methoden der Erkenntnisfindung breit gestreut. Die vorliegende Arbeit basiert auf der Humanökologie als Bezugsrahmen. Folgerichtig wird der Umweltbegriff der Humanökologie (Wiener Schule) übernommen. Umwelt ist demnach die interne Abbildung äußerer Faktoren (Außenwelt, Umgebung) im Bewußtsein. Diese Meta- Abbildung ist Ergebnis von Verarbeitungs- und Verzerrungsschritten des Gehirns wie auch von Verzerrungen im Zuge der Wahrnehmung. Diese subjektiven Aspekte sind in der Verkehrsplanung zum Beispiel an Hand der Zeitbewertung und verschiedener Bewertungsprobleme im Zuge von Modellbildungen (z.B. Routenwahl) bekannt.
Beurteilungsmaßstäbe leiten sich aus den Zielen der Systeme und Subsysteme (Gesellschaft, Wirtschaft und Mensch) ab. Zum Verständnis des Systemverhaltens ist es daher notwendig die Zielsetzungen, Mechanismen und Fehlentwicklungen in diesen Systemen zu begreifen. Aus der individuellen Sicht lassen sich in sehr beschränktem Maß Rückschlüsse auf das Verhalten eines Systems ziehen, wie sich an Hand von Energie, Zeit (und Raum) nachweisen läßt.
Zur Beschreibung eines komplexen Systems wie dem Verkehrssystem sowie zur Darstellung des Systemverhaltens in der Zeit sind Indikatoren notwendig. Diese sind vom Betrachtungsausschnitt abhängig, mit der Änderung der räumlichen Bezugseinheit ändert sich in der Regel auch der sinnvollste Indikator. Es zeigt sich, daß die zentrale Größe der Verkehrsplanung, der Modal-Split, auf verschiedenen Ebenen einen brauchbaren integrativen Indikator darstellt. Siedlungsdichten, Energieverbrauch, Flächenverbrauch und Attraktivitäten können durch den Modal-Split integrativ dargestellt werden. Für die Steuerung des Modal-Split bildet die Änderung von Attraktivitätsverhältnissen z.B. durch Setzen von Grenzen für einzelne Verkehrsarten die effektivste Möglichkeit.
Die globalen Grenzen müssen in Form einer Vielzahl von steuernden kleinen Barrieren in die Praxis umgesetzt werden. Der Lösungsweg muß dem Entstehungsweg (= einer Vielzahl kleiner Ausbaumaßnahmen) folgen.
Es zeigt sich, daß das Verkehrssystem in der derzeitigen Form in mehrfacher Hinsicht die Zunahme von räumlichen, wirtschaftlichen und sozialen Differenzen fördert. Schlagworte wie Auseinanderfallen der Funktionen, Zunahme regionaler Disparitäten oder Greißlersterben (= Verlust kleiner und kleinster Wirtschaftseinheiten) durch Optimieren der Rahmenbedingungen für große Wirtschaftseinheiten sind hier zu nennen. Die Chancengleichheit beim Zugang zu den Verkehrssystemen und damit langfristig die soziale Nachhaltigkeit ist nicht gegeben.
Eine realistische Abbildung von Systemwirkungen erfordert die Berücksichtigung von Wechselwirkungen. Damit ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen der Ausdehnung des Beobachtungsausschnittes und der Problematik wissenschaftlicher Erfaßbarkeit sowie der Aussagegenauigkeit der Ergebnisse (darin ist wahrscheinlich einer der Gründe zu sehen warum sich Techniker gerne auf einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit zurückzuziehen). Das durch das Umweltverträglichkeitsgesetz vorgegebene abstellen auf Schutzgüter ist der Berücksichtigung von Wechselwirkungen ebenfalls nicht förderlich.
An Hand von österreichischen Bewertungsbeispielen und Bewertungsmethodiken können die Einflüsse von Bewertungsvorgängen und die Mängel der Methoden nachvollzogen werden. Die dahinterstehenden Bewertungsvorstellungen können anhand der verwendeten Kriterien und Kriteriengewichte nachvollzogen werden. Es zeigt sich, daß die sogenannten Amtstrassen am - aus mehrfachen Gründen problematischen - Kriterium Reisezeit optimiert werden, Kriterien wie Artensterben, Flächenverbrauch oder Energie jedoch gering gewichtet und in der Folge maximiert werden.
Nach der herrschenden Lehre ist die UVP projektbezogen, es gibt aber auch gewichtige Gegenstimmen. Die dort verwendeten Methodiken sollen nach Vorstellung der Europäischen Kommission auch im Rahmen der Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung (dort in einem noch gröberen Raster) angewendet werden. Die Mängel der bestehenden formalisierten Bewertungsverfahren werden daher übernommen.
Die Strategische Umweltprüfung ist durch die Ausdehnung ihres räumlich, zeitlichen und sachlichen Beobachtungsausschnittes ein wesentlicher Ansatzpunkt. Die Probleme bestehen in der Wahl der Beurteilungsmethodik sowie der Kriterien und Indikatoren. Die Schwierigkeiten der monetären Bewertung einer Reihe von Auswirkungen hat die Kommission veranlaßt Verfahren wie Multi-Kriterien-Ansätze und Wirkungsanalysen zu empfehlen.
Die Belastung des Individuums (Nur die Dosis macht das Gift) durch die Wegeketten und Bewegungsmuster des Individuums bestimmt. Die persönliche Betroffenheit wird durch die Mobilitätsmuster im Verkehr ebenso bestimmt wie durch soziale Verhältnisse, z.B. sind Bewohner von Erdgeschoßwohnungen an stark befahrenen Straßen ungleich stärker von Abgasimmissionen betroffen, als Hausbesitzer in Villenvierteln.
Die UVP hat über die Berücksichtigung von Wegeketten, Ziel und Quellpunkten von Fahrten (der Anfang ist in Österreich durch die Forderung nach Einbeziehung von Parkplätzen bereits gemacht) eine wichtige zukünftige Aufgabe. Ziel der zukünftigen Verkehrsplanung ist das Herstellen einer Umwelt in welcher ökologisches Verhalten rational (im Sinne von vernünftig) ist.