Alexander Ehrlich
Tatsache ist, dass es auf Grund des Anstieges des Motorisierungsgrades seit den 1950er Jahren, zu gravierenden Problemen in dörflichen wie auch städtischen Strukturen gekommen ist. Vor der Massentauglichkeit des individuellen motorisierten Verkehrs war der Aktionsradius eines jeden einzelnen Menschen auf sein unmittelbares Umfeld gebunden. Dieser begrenzte Aktionsradius bewirkte kompakte, in sich konzentrierte Stadtstrukturen und Lebensweisen, sowie eine Wirtschaftsstruktur, die sich auf die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung konzentrierte und den Großteil des täglichen Bedarfes der Menschen abdeckte.
Diese konzentrierten Strukturen, insbesondere die wirtschaftlichen Strukturen wurden besonders mit der Massenerscheinung des PKW im wahrsten Sinne aufgebrochen, und es kam zu massiven Veränderungen im täglichen Leben der Menschen. Die allmähliche Einsetzung der Suburbanisierung und der daraus resultierenden Pendlerströme überlastete das über Jahrhunderte hinweg gewachsene Straßennetz enorm. Besonders kleinere, zwischen zwei oder mehreren größeren überregionalen wichtigen Agglomerationsräumen gelegene, Orte litten bzw. leiden unter der Folge des Phänomens des Durchfahrtsverkehrs. Dieser Durchfahrtsverkehr kann besonders in kleineren Gemeinden einen überproportional hohen Anteil des Verkehrs gemessen am Gesamtverkehr einnehmen. Zur Lösung dieses Problems wurden in vielen Gemeinden und Städten Umfahrungsstraßen angelegt, um die Ortskerne zu entlasten.
Somit lautet die Forschungsfrage dieser Diplomarbeit folgendermaßen. Wie verändert sich die lokale Wirtschaftsstruktur einer bestimmten Gemeinde, insbesondere der ehemaligen Ortsdurchfahrtsstraße, durch den Bau einer Umfahrungsstraße?
Im theoretischen Teil dieser Diplomarbeit wurden die unterschiedlichen Auswirkungen vom Verkehr auf die in einer Ortschaft lebenden Menschen untersucht und erläutert. Es wurde daher eine Differenzierung der durch den Verkehr auftretenden Effekte vorgenommen und anhand einer möglichst holistischen Literaturrecherche die jeweiligen spezifischen Auswirkungen aufgezeigt. Außerdem wurden die Gründe, die generell für einen Bau einer Umfahrungsstraße sprechen, aufgezeigt, und im Anschluss eine Klassifikation von unterschiedlichen Arten von Umfahrungsstraßen angeführt. Des Weiteren wurde auf die wichtigsten rechtlichen Grundlagen für diese Thematik eingegangen und theoriebasierende Aspekte von Wirtschaftssystemen und Verkehrssystemen näher beschrieben.
Neben einer holistischen Literaturrecherche wurden zur Beantwortung der Forschungsfrage spezielle Analysemethoden angewandt, die gezielt ein spezielles Spektrum des komplexen Themenbereiches abdecken. Es wurden Hypothesen vom Autor dieser Diplomarbeit definiert, die zur Beantwortung der Forschungsfrage verifiziert bzw. falsifiziert worden sind.
Im Rahmen des analytischen Teils der vorliegenden Arbeit wurden konkret die Gemeinden, Feldkirchen bei Graz, Hausmannstätten, Henndorf, Maissau, Rauris, Straßwalchen, Wolkersdorf und Ziersdorf untersucht. Mit Hilfe der Analyse von wirtschaftlichen Kennzahlen der Analysegemeinden wurde versucht aufzudecken, ob bzw. wie sich die Wirtschaft auf Gemeindeebene verändert und ob man daraus eine „Gesetzmäßigkeit“ für alle Gemeinden mit Umfahrungsstraßen ableiten kann. Der Fokus dieser Arbeit liegt jedoch auf ehemaligen Ortsdurchfahrtsstraßen und ob bzw. wie sich die Wirtschaft auf diesem begrenzten Raum in der Zeit nach der Inbetriebnahme einer Umfahrungsstraße verändert. Dafür wurde eine umfangreiche Analyse mittels Fragebogen angewandt, inklusive der Interviews mit Bürgermeistern bzw. Bürgermeisterinnen. Ziel der Analyse mittels Fragebogen war es, Erkenntnisse zu den möglichen wirtschaftlichen Veränderungen auf der ehemaligen Ortsdurchfahrtsstraße vor Ort durch Unternehmer bzw. Unternehmerinnen zu erlangen, die die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen am eigenen Betrieb miterlebt haben.
Die Diplomarbeit konnte nachweisen, dass es nach der Inbetriebnahme von Umfahrungsstraßen zu wirtschaftlichen Veränderungen wie einer Abnahme des Kundenstammes oder einem Umsatzrückgang bei Betrieben auf der ehemaligen Ortsdurchfahrtsstraße kommen kann, die Dimension der Veränderung und ob die Veränderungen langfristig positiv oder negativ ausfallen, sind von zusätzlichen externen Faktoren wie der Lage bzw. der Zentralitätsstufe der Gemeinde, dem Arbeitsplatzangebot oder dem Vorhandensein einer längerfristigen, wirtschaftlichen Strategie der Gemeinde abhängig. Eine gesamtwirtschaftliche Veränderung auf Gemeindeebene konnte nicht in dieser Arbeit nachgewiesen werden.